Möge die Macht mit ihnen sein!!

hier kann alles gepostet werden was mit Pilzen zu tun hat. Forumsstart - 22.12.2004

Moderator: Harry

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Harry
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Möge die Macht mit ihnen sein!!

Ungelesener Beitrag von Harry »

Hallo Pilzfreunde,

die Nomenklatur treibt manchmal seltsame Blüten. Oft können wir ganz " hundsgewöhnliche Pilzfreunde " diese Namensgebungen nicht nachvollziehen. Jetzt hat man aber meiner Meinung nach den Vogel abgeschossen. Aus dem Ochsenröhrling ( Boletus torosus ) hat man einen Imperator torosus gezaubert. Bei Facebook kursiert auch schon der deutsche Name Ochsen - Imperatorröhrling. Ich denke da hatten die Herren des Nomenklatur - Codes zu viel Star Wars intus.

:un:

Wenn die so darauf stehen, hätte ich da ja noch Vorschläge:

Darthvader edulis - Steinpilz
Obiwan kenobilauch - Knoblauchschwindling


Ne, oder? Lassen wir das. Die spinnen, die Herren vom Nomenklatur Code.

Möge die Macht mit ihnen sein !!

schmunzelnde Grüße :P
Harry

PS: nein, heute ist nicht der 1. April
Dass man immer noch lernen kann ist herrlich, und auch dass man andere dazu braucht.
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Wühlmull
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Re: Möge die Macht mit ihnen sein!!

Ungelesener Beitrag von Wühlmull »

Die scheinen ja viel zu tun zu haben in dem Club - oder war's vielleicht die Maibowle :lol: ?
Grüße aus dem Saarland.........Holger
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Beorn
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Re: Möge die Macht mit ihnen sein!!

Ungelesener Beitrag von Beorn »

Hallo.

Oha, nicht, daß die vergessen haben, die spezielle 1. - April - Nomenklatur wieder zu löschen...

Allerdings läuft da gerade recht viel bei Indexfungorum / Speciesfungorum, nachdem die Regeln für gültige Publikationen bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht wurden.
Im Grunde kann man jetzt jeden Quatsch machen, es braucht kaum noch Recherche, wissen über Pilze muss man auch nichts mehr, es reicht ein schlechtes Photo oder ein völlig unklarer, aus der Luft gegriffener DNS - Baum, um irgendwas irgendwo zu veröffentlichen.

Es ist zwar nachvollziehbar, daß eine so heterogene Gattung wie Boletus aufgeteilt wird, aber die Art und Weise ist aus meiner Sicht nichts als Ramsch.
Wenn man sich den >Titel der Veröffentlichung bei SF< ansieht blutet mein Mykologenherz. Daß selbst Leute wie Munoz sich für so einen Krempel nicht zu schade sind, ist bedauerlich.
Daß so eine Veröffentlichung über IndexFungorum passiert, die es noch nicht mal gebacken bekommen, Boletus luridiformis Rostk. und Boletus erythropus Pers. zu synonymisieren (Autsch!) ist bezeichnend.

Immerhin ist hier >Mykobank< (bislang) nicht mitgezogen. ich hoffe, daß das so bleibt, ansonsten landet auch diese Datenbank bei mir in "Ablage P".
Und ich hoffe sehr, daß man sich ein wenig auf das wesentliche jeder botanischen und mykologischen Arbeit besinnt, und die Regeln für gültige Veröffentlichungen möglichst rasch wieder verschärft. Das, was jetzt hier passiert, wird letztlich zum Tod jeder soliden und nachhaltigen Forschungsarbeit führen.
Das Problem ist dabei nicht das Weglassen von lateinischen Diagnosen (ist sowas von Wurschd, das kann auch Englisch sein), aber das Einhalten von gewissen Mindeststandards bei Veröffentlichungen muss gewahrt sein. Und dazu sollen bitte sehr wohl die Bäumchen gehören, aber eben nicht ohne makroskopische und mikroskopisch aussagekräftige Diagnose, denn dann haben diese Bäumchen einfach null Aussagekraft.


LG; Pablo.
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willihund
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Re: Möge die Macht mit ihnen sein!!

Ungelesener Beitrag von willihund »

Hallo Harry,

da scheint es sogar noch mehr Imperatoren wie I. luteocupreus, I. rhodopurpureus und I. rhodopurpureus f. xanthopurpureus zu geben. Da haben wirklich einige Leute Langeweile.

VG Willihund
Zuletzt geändert von willihund am Di 26. Mai 2015, 08:13, insgesamt 1-mal geändert.
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Gerd †
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Re: Möge die Macht mit ihnen sein!!

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Harry,

Zitat:
„die Nomenklatur treibt manchmal seltsame Blüten. Oft können wir ganz " hundsgewöhnliche Pilzfreunde " diese Namensgebungen nicht nachvollziehen. Jetzt hat man aber meiner Meinung nach den Vogel abgeschossen. Aus dem Ochsenröhrling ( Boletus torosus ) hat man einen Imperator torosus gezaubert. Bei Facebook kursiert auch schon der deutsche Name Ochsen - Imperatorröhrling. Ich denke da hatten die Herren des Nomenklatur - Codes zu viel Star Wars intus.“

- Interessant: Schöner wäre es gewesen, wenn du die Literatur dazu zitiert hättest. :giggle

---> Aber etwas muss ich hier eindeutig klar stellen:

(1) Ich kann, da ich die Gründe für diese neue Gattung (kenne die Literatur inkl. Begründung nicht) diesen Transfer nicht beurteilen.
---> Ob die Gattung allgemein akzeptiert wird, wird sich (kann evtl. bis zu 20 Jahren dauern) zeigen.

---> Wenn nicht allgemein akzeptiert, haben die Autoren immerhin folgendes erreicht:
(1) Sie können die Liste ihrer Veröffentlichungen vergrößern. Und das ist für aufstrebende Wissenschaftler ein absolutes MUSS!!!

(2) Ihre Neukombination wird, wenn sie nicht allgemein akzeptiert wird, immerhin auch in Zukunft als Synonym oder evtl. als formal ungültige Veröffentlichung (*) bewertet.
(*) wenn bei der Veröffentlichung die gültigen Nomenklaturregeln nicht vollständig eingehalten wurden.

(3) Macht nix: Die Autorennamen bleiben immerhin erhalten und tauchen dann halt nicht mehr in einer aktuell gültiger Taxa auf.

- Um das auch noch eindeutig klar zu stellen:

---> Du solltest klar zwischen „Nomenklatur-Regeln“ und "Veröffentlichungen" unterscheiden: Da darf jeder schreiben was er will, sofern er bei Neubeschreibungen, Umgruppierungen die „gültigen Nomenklaturregeln“ einhält!!!
----------------------------------------------

:Zitat:
„Wenn die so darauf stehen, hätte ich da ja noch Vorschläge:
Darthvader edulis - Steinpilz
Obiwan kenobilauch - Knoblauchschwindling


- Ganz eindeutig ist eine derartige Veröffentlichung ein grober Verstoß gegen die „Nomenklaturregeln“ und leider nicht zulässig.

---> Natürlich kannst du auch derartige Vorschläge (sogar beliebig gut begründet!!!) veröffentlichen und dein Autorenname taucht dann in Zukunft in einer nicht gültig veröffentlichter Taxa in der einschlägigen Literatur auf, sofern du das derzeitige „gültige Evangelium MYOBANK“ (eine schlicht nicht vernünftig qualitätsgesicherte Katastrophe) informierst.

Zitat:
„Ne, oder? Lassen wir das. Die spinnen, die Herren vom Nomenklatur Code.“

- Um das nochmals eindeutig klar zu stellen:

---> Die Herren / Damen? vom „Nomenklatur Code“ sind da völlig unschuldig, auch wenn sie m.E. in ihren neuesten Regeln (Australien sorgt bereits ein zweites Mal für ein Chaos!!!) mir unverständlichen Probleme generiert haben.

schmunzelnde Grüße
Gerd

Literatur:

http://forum.fungiworld.com/index.php?P ... 3#msg30533

http://forum.fungiworld.com/index.php?P ... 6#msg32056
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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Gerd †
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Re: Möge die Macht mit ihnen sein!!

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Pablo,

Zitat:
"Allerdings läuft da gerade recht viel bei Indexfungorum / Speciesfungorum, nachdem die Regeln für gültige Publikationen bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht wurden.
Im Grunde kann man jetzt jeden Quatsch machen, ..."


- Den Quatsch, den man jetzt machen kann ist m. E. kaum größer als vorher!!!

Na ja, es gab wenige Punkte, die ich bedaure:

(1) Englische Diagnosen sind jetzt zulässig. Und damit kann sich jetzt jeder Depp profilieren!!!

(2) Gültige Veröffentlichung im Internet ist jetzt zulässig. Viel Vergnügen, wenn ich mir die Schnelllebigkeit dieses Mediums vorstelle und berücksichtige, wie häufig ich bei Recherchen mit "Site nicht (mehr) verfügbar" bestraft werde.

(3) Mykobank als Evangelium wurde jetzt eingeführt: Und das ist m.E. ein GAU, da hier die Qualitätskontrolle wohl ein Fremdwort ist!!!

---> Nicht ungewöhnlich hier, dass man in dieser Datenbank zwei verschiedene Taxa als aktuell findet und die dann gegenseitig als Synonyme gehandelt werden!!!!!

Zitat:
Es ist zwar nachvollziehbar, daß eine so heterogene Gattung wie Boletus aufgeteilt wird, aber die Art und Weise ist aus meiner Sicht nichts als Ramsch.
Wenn man sich den >Titel der Veröffentlichung bei SF< ansieht blutet mein Mykologenherz. Daß selbst Leute wie Munoz sich für so einen Krempel nicht zu schade sind, ist bedauerlich.


- Frage: Hast du den Artikel (ich kenne den leider nicht) inkl. Begründung gelesen ????

Zitat:
"Daß so eine Veröffentlichung über IndexFungorum passiert, ... ist bezeichnend."

- Sehe ich nicht so: Die Ungereimtheiten in IndexFungorum sind eher geringer als in "MYKOBANK"
----------------------------

Zitat:
"Immerhin ist hier >Mykobank< (bislang) nicht mitgezogen. ich hoffe, daß das so bleibt, ansonsten landet auch diese Datenbank bei mir in "Ablage P".

- Keine Ahnung, was du da recherchierst hast?????

---> Ich lande bei meiner Recherche auf Anhieb, obwohl ich ein meist erfolgloser Recherche-Depp bin bei

" Taxon name Authors (abbreviated) Year of publication MycoBank # Name status

Imperator
G. Koller, Assyov, Bellanger, Bertéa, Loizides, G. Marques, P.-A. Moreau, J.A. Muñoz, Oppicelli, Puddu & F. Richard 2015 550508 Legitimate

Imperator luteocupreus
(Bertéa & Estadès) Assyov, Bellanger, Bertéa, Courtec., Koller, Loizides, G. Marques, J.A. Muñoz, N. Oppicelli, D. Puddu, F. Rich. & P.-A. Moreau 2015 550510 Legitimate

Imperator rhodopurpureus
(Smotl.) Assyov, Bellanger, Bertéa, Courtec., Koller, Loizides, G. Marques, J.A. Muñoz, N. Oppicelli, D. Puddu, F. Rich. & P.-A. Moreau 2015 550511 Legitimate

Imperator torosus
(Fr.) Assyov, Bellanger, Bertéa, Courtec., Koller, Loizides, G. Marques, J.A. Muñoz, N. Oppicelli, D. Puddu, F. Rich. & P.-A. Moreau 2015 550512 Legitimate"

:gnade

- Na dann ab mit MykoBank, obwohl zwischenzeitlich Evangelium, in den Papierkorb. :su:

---> Jetzt frage ich mich, welcher Datenbank du noch vertraust?????

Zitat:
Und ich hoffe sehr, daß man sich ein wenig auf das wesentliche jeder botanischen und mykologischen Arbeit besinnt, und die Regeln für gültige Veröffentlichungen möglichst rasch wieder verschärft. Das, was jetzt hier passiert, wird letztlich zum Tod jeder soliden und nachhaltigen Forschungsarbeit führen.

- Was bitte ist das Wesentliche einer botanisch/mykologischen Arbeit!!!!!?????

Zitat:
"Das Problem ist dabei nicht das Weglassen von lateinischen Diagnosen (ist sowas von Wurschd, das kann auch Englisch sein), ..."

- Auch wenn ich mich wiederhole:
---> Englische Diagnosen beseitigen für mich nicht nachvollziehbar jede Hemmschwelle für Neubeschreibungen!!!

Zitat:
"Das Problem ist dabei nicht ..., aber das Einhalten von gewissen Mindeststandards bei Veröffentlichungen muss gewahrt sein."

- Genau diese Mindeststandards werden durch die "gültige Nomenklatur-Regeln" gewahrt.
---> Das Problem ist ein völlig anderes: Biologen/Mykologen sind nicht dazu in der Lage allgemeingültige Grundlagen/Axiome (z.B. Artkonzept etc.) ihrer Wissenschaft zu definieren :un:
- Und dann forderst du Mindeststandard (ich bekomm einen Lachkrampf) :giggle

Zitat:
"Und dazu sollen bitte sehr wohl die Bäumchen gehören, aber eben nicht ohne makroskopische und mikroskopisch aussagekräftige Diagnose, denn dann haben diese Bäumchen einfach null Aussagekraft."

- Genau, diese Bäumchen sind aus mehreren Gründen fragwürdig, wenn es darum geht "Arten, Var, Forma" zu unterscheiden!!!
---> Und dies wird auch vielfach in der Literatur sogar von "Bäumchen-Produzenten" bestätigt.

Gerd

Literatur:

Literatur:

http://forum.fungiworld.com/index.php?P ... 3#msg30533

http://forum.fungiworld.com/index.php?P ... 6#msg32056

Ernst Mayr: Das ist Biologie. Die Wissenschaft des Lebens; Spektrum Akademischer Verlag (2000)
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Beorn
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Re: Möge die Macht mit ihnen sein!!

Ungelesener Beitrag von Beorn »

Hallo, Gerd!

Das sind ein paar wesentliche Punkte, die du ansprichst.
Es ist schwierig, das alles in wenigen Sätzen zusammenzufassen, darum habe ich mich oben etwas auf die Polemik beschränkt. :gnade

Anscheinend macht es bei MB auch erstmal einen großen Unterschied, was man als Suchbegriff eingibt. Du hast völlig recht, gebe ich als Suchbegriff "Imperator" ein, bekomme ich das gleiche Ergebnis. Suche ich aber nach "Boletus torosus", dann bekomme ich die von mir verlinkte Option angeboten.
Eine Verbindung zwischen beiden Taxa hat MB bislang nicht hergestellt. :kick
Nach dem Stand jetzt wären da Boletus torosus und Imperator torosus zwei getrennte Arten (das ich nicht lache).
Insofern hat MB einfach nur das Chaos komplett gemacht. Peinlich, peinlich.

Welcher der Datenbanken ich nun vertraue?
Keiner. Und habe es noch nie getan, jedenfalls nicht unbefangen und ohne Zweifel an der Wertigkeit / Gültigkeit.
Ich hielt bis vor Kurzem MB für etwas besonnener, für etwas weniger chaotisch, aber das war dann wohl ein Trugschluss.

Leider habe ich die Veröffentlichung, in der die Namensänderung publiziert wurde, nicht.
Leider...
...oder zum Glück?
Erst letzten Donnerstag hatten wir in einer kleinen Runde Pilzfreaks das Thema, so kann offenbar jetzt direkt bei Indexfungorum veröffentlicht werden, was die Autoren wohl getan haben. Ich glaube noch nciht mal, daß es dazu auch einen Print gibt, also eine gedruckte Auflage. Warum IF (oder SF, ist ja eh das Gleiche) zu einer eigenen Veröffentlichung noch nicht mal einen Link wenigstens zu einem "abstract" angeben kann, verstehe ich auch nicht.

Ob der Artikel überhaupt gelesen werden soll?

In dem Zusammenhang kann ich mir nur zu gut vorstellen, daß du auch da richtig liegst, Gerd:
---> Wenn nicht allgemein akzeptiert, haben die Autoren immerhin folgendes erreicht:
(1) Sie können die Liste ihrer Veröffentlichungen vergrößern. Und das ist für aufstrebende Wissenschaftler ein absolutes MUSS!!!
Und trotz allem: Die Wissenschaft und auch die Mykologie braucht verbindliche Regeln, was Veröffentlichungen und (Erst-) Beschreibungen betrifft. Daß es schwer ist, da weltweit einen Konsenz zu finden, ist auch verständlich.
Daß die Regelungen momentan viel zu lasch sind, da sind wir uns wohl einig.
Was die lateinische Diagnose betrifft: Das ist aus meiner Sicht ein Detail, wesentlich wichtiger finde ich die grundlegenden Recherchen zu Artikeln, aussagekräftige Makro- und mikroskopische Beschreibungen und Bilder, Vergleiche mit vorangegangenen Beschreibungen und dazu entsprechenden Quellenangaben.
Wenn es zu den Bäumchen kommt: Ich finde die mittlerweile sehr wichtig.
Aber alles hat eine kehrseite. Denn auch die müssen verstanden, interpretiert, analysiert werden.
Mal angenommen, man schnappt sich einen Pilz in Guatemala, findet auf die Schnelle keine passende Bescheribung dazu bei breitenbach / Kränzlin, ermittelt zu dem Pilz eine Sequenz, guckt kurz in die Datenbanken (ja, auch dafür gibt's welche), stellt fest, daß die Sequenz bislang nicht aufgeführt ist und freu: Da backt man eine neue Art draus.
Was dafür momentan benötigt wird, ist eben nur diese Sequenz, ein schlechtes Makrofoto und zwei drei Zeilen zur Beschreibung.
Das meine ich mit armselig.
Solche Beschreibungen sind aus wissenschaftlicher Sicht völlig wertlos.
Weil es nichts nachvollziehbares zu der nenen Art gibt: Keine Untersuchungen über einen gewissen Zeitraum, keine Möglichkeiten, die Art abzugrenzen oder wiederzuerkennen.
Auch die Sequenz hilft nicht weiter, weil:
Natürlich gibt es auch da Variationsmöglichkeiten. Und dann wären Verwandschaftsverhältnisse zu klären, ähnliche (nach morphologischen und ökologischen Kriterien) Arten ebenfalls zu sequenzieren und zu vergleichen. Das ist nicht so eindeutig, wie man es gerne verstanden haben will.

Wenn man da aber von der anderen Seite dran geht, so wie einige sehr akribische Mykologen, die ich kenne, dann ist es durchaus verwertbar: Die DNS - Sequenzen und Bäumchen als Ergänzung und Absicherung bei der Untersuchung einer Gattung, bei der Definition der Arten, zugrunde liegt dann aber immer die morphologische Untersuchung.
Und zwar nicht die eines Fundes, sondern dutzender Funde einer Art.
Und dazu gehört eben auch das Studium der vorhandenen Literatur: Originalbeschreibungen, Neubeschreibungen, Beschreibungen zu Umkombinationen und Synonymisierungen. Das alles in Originaltext und und möglcihst auch mit Untersuchung der als herbar angelegten Holo- und eventuell Neotypen.

Das halte ich für mykologische Arbeit.
Nur passt es halt schlecht in diese Zeit, wo alles rasch gehen muss, sich niemand mehr mit alten texten oder gar stundenlanger Mikroskoparbeit aufhalten will, sondern lieber den namen über einer VÖ lesen will.
Was bringts?
Nichts.

OK, natürlich zieht auch hier dein Einwand:
Jeder kann in einer Zeitschrift oder im Netz schreiben, was er will.
Ein Fundbericht im Tintling zu ein paar schönen Lorcheln, Rötlingen oder Korallen hat ja keinen Einfluss auf die Nomenklatur.

...

Wirklich?
Wenn die Regeln tatsächlich so sind, wie es jetzt den Anschein hat, dann steht da in der Tat Tür und Tor offen.
Insofern sind die Chancen für Obiwahn kenobilauch vielleicht gar nicht so schlecht. Ein Handyphoto und eine unklare Sequenz reichen ja aus. *hmw*

Nur: Der normale Pilzamateur wie ich, der kämpft gegen Windmühlen, wenn er sich nachvollziehbare wissenschaftliche Arbeiten wünscht. Darum kann ich nicht anders, als mich dem Irrsinn in manchen Extremfällen einfach zu verweigern.
Gott sei dank weiß ich aber, daß es durchaus ernst zu nehmende Mykologen gibt, die es mit ihrer Arbeit sehr genau nehmen.
Das sind nicht nur studierte Biologen (obwohl es auch die gibt), sondern häufig sogenannte "Laien", die aber trotz fehlendem Zugang zu Bibliotheken und wichtigen Forschungseinrichtungen sehr viel bessere und fundiertere Arbeit leisten, als mancher Doktorand der Biologie, der irgendeinen Titel braucht.


LG, Pablo.
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Beorn
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Re: Möge die Macht mit ihnen sein!!

Ungelesener Beitrag von Beorn »

Hallo, Gerd!

Da mir die Sache keine Ruhe gelassen hat, habe ich gestern abend noch mal ein wenig "recherchiert".
Das Blöde dabei: Entweder zickt mein Browser rum, oder einige Ergebnisse wurden schlichtweg über Nacht entfernt. :evil:
Die Vorgehensweise war jedenfalls Folgende:
Bei MB das >Datenblatt zu I. torosus< aufgerufen.
Den kompletten Titel der Veröffentlichung kopiert und bei Google eingegeben.
Da bekomme ich heute nur noch zwei Ergebnisse, gestern waren es fünf oder sechs. "Einige Ergebnisse wurden möglicherweise aufgrund des europäischen Datenschutzes enfernt", erzählt mir die Seite.
Jedenfalls landete ich dabei gestern auch auf der wohlbekannten Seite von Boris Assyov (Boletales.com), der ja einer der Autoren ist. Hier ganb es zumindest mal ein Abstract zu sehen (übrigens mit lateinischer Diagnose).
Bäumchen gab es auch und auch eine nachvollziehbare Erklärung, warum gerade diese Dickröhrlinge (Art der Netzzeichnung, Verfärbungsverhalten etc.) in eine eigene Gruppe gestellt werden.
Wie gesagt: Nun ist das alles weg. Angeboten bekomme ich ncoh >das hier<, und kann es nicht öffnen. Was auch an meinem derzeit spinnerten Browser liegen mag. Auf der Seite von Boris Assyov finde ich den entsprechenden Artikel (bzw. das abstract) nicht mehr. Ich hätte alles abspeichern sollen...

OK soweit. Es mag schon sein, daß in diesem Fall durchaus ein Sinn hinter der Neugruppierung steckt.
Schade ist natürlich, wenn es ohne den Zugang zu den entscheidenden Quellen nicht mehr nachvollziehbar ist.
Das hat so ein bisschen was von dem versuch, eine "Zweiklassenmykologie" herzustellen. Infos gibt's nur noch für die, die über den Server und die Bibliothek einer Universität uneingeschränkten Zugang zu relevanter Literatur haben.
Bevor ich mich jetzt aber darüber aufrege - meiner Ansicht nach sind es Leute wie Andreas Melzer, Josef Christan und Andere, die einen ganz wesentlichen beitrag zur Forschung leisten, auch ohne zu einer Uni zu gehören:

Meine Kritik an den verwässerten Regularien für taxonomisch relevante Beschreibungen halte ich aufrecht.
Muss sie aber in manchen Fällen etwas entschärfen.
Und mal ganz im Ernst: Wofür den auch die Aufregung?
Du hast es ja auch schon angedeutet: Der Pilz bleibt der Gleiche, egal wie wir ihn nun nennen. Es ist eine gut beschriebene, in ihrer Definition absolut unstrittige und unkritische Art. Das ist bei vielen anderen Arten nicht so, darum ist es aus meiner Sicht wichtig, dort akribisch zu arbeiten und die Zusammenhänge zu verstehen. Sowie die Abgrenzungen und Entwicklungen.


LG, Pablo.
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